Schwul in den haag basel
Für den Herbert Haag Preis hat die gleichnamige Stiftung dieses Jahr Menschen ausgewählt, die sich für mehr Akzeptanz in den christlichen Kirchen gegenüber homosexuellen Lebensformen einsetzen siehe auch Kasten. Einer von ihnen ist der Schweizer Theologe und Autor Pierre Stutz, der mit seinem Mann in Osnabrück lebt.
Mit ihm sprach forumKirche darüber, wie er sein Outing als schwuler Priester in der katholischen Kirche erlebte und was ihm die Verleihung des Herbert Haag Preises bedeutet.
Den haag feeling in basel: schwule kultur erleben
Ich lebte immer in der Diskrepanz, Priester sein zu wollen und dies als Schwuler von kirchlicher Seite her nicht zu dürfen. Ich bin nach wie vor ein priesterlicher Mensch, begabt mit dieser spirituellen Kraft, die ja ein Geschenk ist. Meine Entscheidung hat sich in zwei Etappen entwickelt: Als ich als Bundeseelsorger arbeitete, hatte ich ein zweijähriges Burnout, das - wie sich herausstellte - mit dieser inneren Auseinandersetzung zusammenhing.
Ich war damals unfähig, über mein Schwulsein zu reden. Durch eine tolle geistliche Begleitung wurde mir klar, dass ich nicht mehr zölibatär leben darf, weil mich das sonst krank, ja tief depressiv macht. Ich habe alle Kraft zusammengenommen und habe neu angefangen.
Ich dachte, wenn ich jetzt in diesem klösterlichen Rahmen einen gesunden Lebensrhythmus finde zusammen mit dem Schreiben von Büchern und Begleiten von Menschen, dann beruhigt sich meine innere Not wieder. Aber je grösser mein Erfolg war, desto mehr hat sich meine Seele gewehrt.
Niemand hat mich verstanden. Ich war ein erfolgreicher Buchautor, das offene Kloster war ausgebucht und ich wurde immer gekrümmter, immer depressiver. Die innere Not war grausam. Verantwortungsvoll wie ich war, wollte ich das Weiheversprechen, das ich einmal gegeben habe, nicht auflösen.
Obwohl mir schon durch Exerzitien eigentlich klar geworden war, dass ich es vor Gott, vor mir und vor den anderen nicht mehr verantworten konnte, so weiterzuleben, hat es nochmals zwei Jahre gebraucht, bis ich mich outen konnte. Ich habe mir das Schlimmste vorgestellt, dass ich keine Kurse mehr geben kann, dass ich irgendwo als Tellerwäscher arbeiten muss.
Aber ich wusste auch, dass ich das schon schaffen werde, dass mir das Schreiben niemand nehmen kann. Aber es kam nicht so schlimm wie befürchtet. Gesellschaftlich hat sich sehr viel geändert. Als ich meinen Lebenspartner ein Jahr später kennen lernte, lebten wir zunächst «verpartnert» in der Schweiz.
Dann haben wir in Deutschland geheiratet, als dies dort möglich wurde. Homosexualität bleibt allerdings weiterhin ein Thema, wie man es beim Outing des Schwingers Curdin Orlik gesehen hat. Besonders bei Sportarten, die als besonders männlich gelten, ist so etwas ein riesen Ding.
In manchen Ländern sind Homosexuelle immer noch gefährdet oder es droht ihnen die Todesstrafe. Nach meinem Coming-out war genau das Gegenteil der Fall. Ich habe eine Akzeptanz erfahren, die mich immer wieder zu Tränen rührt. Schon damals haben viele Kirchenmitglieder gesagt: Wir brauchen mehr denn je authentische Menschen, die verlogene Doppelmoral darf nicht weitergehen.
Die kirchliche Lehre hat sich leider nicht geändert. Sie ist nach wie vor unglaublich verletzend. Durch die Art von Papst Franziskus ist allerdings ein Klima entstanden, in dem man mehr oder weniger normal über Homosexualität reden kann, was vorher tabu war.