Gay tv‑serien hamburg
Lachshäppchen gab's, chinesische Nudeln, dazu Mozzarella auf Tomate. Dieses Buffet-Ensemble könnte man als neo-gutbürgerlich bezeichnen, genauso wie den Ort, wo es kredenzt wurde: im stylishen, aber nicht allzu extravaganten Hamburger Hotel East, auf der ja auch nur noch halbherzig sündigen Meile Reeperbahn.
Und so passten Ort und Speisen bestens zu TIMM, dem neuen deutschen TV-Kanal für schwule Männer, der sich heute in Hamburg erstmals präsentierte. Der in Berlin ansässige Sender, der nach langen Planungen am 1. November an den Start gehen will, setzt auf ganz offensiv auf eine Zielgruppe, die, wie es der Finanzchef Holger Schöpper formulierte, "mit einem Image besetzt ist, das sehr viele Werbekunden schätzen".
Was er damit meint? Im Wesentlichen wohl eine vielen Schwulen auch von der Werbewirtschaft nicht ganz zu Unrecht unterstellte Konsum- und Lebensfreude, zu der sich in der Regel ein ganz ordentliches Einkommen gesellt. Diesen Hang zum Hedonismus zeichnet das Programm denn auch aus.
TIMM setzt auf viele zielgruppenkompatible Erfolgsserien aus dem Ausland, wie etwa die Schwulen-Soaps "Queer as Folk" und "Noah's Arc" oder die Sitcom "Absolutely Fabulous" über zwei exzentrische, leicht degenerierte, auf Männer, Mode und Drogen fixierte Damen aus der britischen Oberschicht.
Dazu kommen Filme eher schwuler Mainstream als Independent , eine Reisesendung, ein Mode-Magazin für Männer und ein wenig schwules Bildungsfernsehen mit Reportagen wie "Gay Muslims" oder Dokumentationen zur Historie der Homosexualität - Geschichte goes Gay.
Dann wären da noch die Eigenproduktionen, die nach Angaben des Chefredakteurs Jochen Hick zu Anfang zwischen 20 und 30 Prozent des Programms ausmachen sollen. Mit "Homecheck" etwa haben die Verantwortlichen eine Dating-Show entwickelt, bei der - in bester heterosexueller Privatsender-Manier - zwei einander Unbekannte die Wohnung des potentiellen Partners durchwühlen.
Eine schwule Version der Kuppelshow "Der Bachelor" soll es auch noch geben, im Sender-Trailer mit den Worten "Buhlen um Prinz Knackarsch" angepriesen. Für journalistische Kompetenz soll zunächst "TIMM Today" sorgen, ein tägliches Nachrichtenformat, bei dem zwei Anchormen aus einer "schwulen Perspektive" Chefredakteur Hick Relevantes aus aller Welt präsentieren.
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Prominente Schwule hat man also noch nicht für den Sender gewinnen können, an Dirk Bach wäre ja zu denken, oder Georg Uecker, bekannt als Dr. Doch Senderchef Frank Lukas sieht das auch als Statement. Man wolle mit "unbeleckten Gesichtern" in die Welt hinaus; will also unverbraucht wirken.
Man kann diese Aussage durchaus so verstehen, dass die Macher den Ballast vergangener gesellschaftspolitischer Konflikte abwerfen. Denn ihr Konzept spiegelt ja eine Realität: Schwule sind im soziokulturellen Mainstream angekommen, selbst wenn Chefredakteur Hick versichert, dass man sich genauso um die Ränder kümmern wolle; es gebe ja auch "schwule Hartz-IV-Empfänger oder Punks".
Besagter Georg Uecker erhielt dagegen noch anonyme Morddrohungen, als er seinen Serien-Partner küsste. Für einen kleinen Kanal könnte sich die Zielgruppenbeschränkung durchaus lohnen. Denn rein rechnerisch, so Medienmanager Schöpper, gebe es 3,65 Millionen schwule Männer in Deutschland.
Und dabei sende man ja nicht allein für die, sondern eben auch für das "schwule Umfeld"; was die beste Freundin sein könne, die Eltern "oder auch der metrosexuelle Mann". Dabei versteht sich TIMM als Vollprogramm, sendet in der Regel täglich sechs Stunden, zu empfangen bundesweit und unverschlüsselt, via digitales Kabelnetz und über Astra-Digital.
Das entspricht zumindest einer technischen Reichweite von 15 Millionen Haushalten. Eben diese Reichweite zu garantieren, sei ein zentrales Interesse der Investoren gewesen, so Finanzchef Schöpper. Das Geld der Investoren habe bereits gereicht, um das Programm für die nächsten zwei Jahre zu finanzieren - exklusive Eigenproduktionen allerdings.
Die 50 festangestellten Mitarbeiter dürfte das freuen: Solange geht der Lachs schon mal nicht aus. Zum Inhalt springen. News Ticker Magazin Audio Account. Zur Merkliste hinzufügen X. Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv.